Donnerstag, 08. März 2018

Sülmez Dogan über Frauenwahlrecht und Gleichberechtigungslücke

Internationaler Frauentag am 8. März auch in der Bremischen Bürgerschaft: Hier stand das Datum ganz im Zeichen des 100-jährigen Jubiläums des Frauenwahlrechts. Die Vizepräsidentin der Bürgerschaft, Sülmez Dogan, betonte, es sei schon erstaunlich festzustellen, dass die Demokratie lange Zeit kein Problem damit gehabt hätte, die Hälfte der Bevölkerung vom Wahlrecht fernzuhalten.

Vizepräsidentin Sülmez Dogan spricht im Plenarsaal über das lang erkämpfte Wahlrecht für Frauen

Sie erwähnte besonders die Schweiz, wo Frauen erst seit 1971 auf nationaler Ebene wählen dürfen. In Deutschland wurde das Frauenwahlrecht 1918 verankert. Am 19. Januar 1919 konnten Frauen erstmals reichsweit wählen und gewählt werden. Es ging um Wahlen zur verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung. Sülmez Dogan sagte im vollbesetzten Plenarsaal: „Es ist ein schönes Bild, dass heute im Plenarsaal, wo gewöhnlich die bremischen Abgeordneten ihrer Arbeit nachgehen, so viele Frauen sitzen. Das würde ich mir an unseren normalen Sitzungs- und Debattentagen auch wünschen. Es müssen ja nicht gleich mehr Frauen als Männer sein, aber doch genauso viele – wie das der Geschlechterverteilung in Deutschland entsprechen würde. Stattdessen liegt der Frauenanteil unter den Abgeordneten hier in diesem Parlament bei 35 Prozent; wir hatten schon mal mehr, über 40 Prozent. Aber immerhin, im neuen Bundestag mit 30,9 Prozent ist nicht einmal jede dritte Abgeordnete eine Frau. Es bleibt also noch viel zu tun – so wie es im Kampf um das Frauenwahlrecht stets viel zu tun gab.“

Die Vizepräsidentin appellierte an die Parteien, mehr Kandidatinnen chancengleich aufzustellen. Freiwillige Quoten hätten erst einzelne Parteien eingeführt. Auf Bundesländer-Ebene würden längst gesetzlich verankerte Quoten diskutiert. „Wir kennen das Instrument der Wahlkampfkostenerstattung. Wie wäre es, wenn man es mit einem Belohnungssystem für Frauenförderung ausstatten würde?“, fragte Sülmez Dogan. Sie sei allerdings davon überzeugt, dass der wichtigere Motor für mehr Frauen in den Parlamenten die gesellschaftliche Akzeptanz sei. Parteien könnten es sich heute nicht mehr leisten, zumindest einen gewissen bis angemessenen Prozentsatz Kandidatinnen zu unterschreiten. 

Nach Meinung der Vizepräsidentin sollte das Frauenwahlrecht nicht isoliert betrachtet werden; es sei Baustein einer umfassenden Gesellschaftsanalyse und -kritik. Andere Rechte stünden weiter und relativ neu auf der Tagesordnung. Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit – trotz vieler Anstrengungen und Kampagnen ein noch immer nicht zufriedenstellend abgeschlossenes Kapitel. Ins Bewusstsein gerückt seien Menschenrechtsverletzungen, die in erster Linie Frauen beträfen: Frauenhandel, Zwangsheirat, Genitalverstümmelungen, Ehrenmorde. Sülmez Dogan bezeichnete sie als eine „Schande und unakzeptabel in einer Zivilgesellschaft“. Ihre Schlussbemerkung: „Die Geschichte des Frauenwahlrechts lehrt uns die politische Weitsicht, den langen Atem, das Beharrungsvermögen, mit dem Frauen Stückchen für Stückchen ihrer Unterdrückung entgegenwirken konnten – mit Erfolg. Diese Durchsetzungskraft müssen wir uns bewahren, um die Gleichberechtigung ohne Wenn und Aber zum Ziel zu führen.“